Am 10. Juli 1959, dem Tag, an welchem in einer hessischen Druckerei sein Name auf den Titel des Romans „Mutmassungen über Jakob“ gesetzt wird, verlässt Uwe Johnson die DDR mit dem Zug. Er steigt an einem Bahnhof „im britischen Sektor von Berlin [aus], verstand [...] es als einen Umzug“. „Umzug, nicht Flucht — eine für das Selbstverständnis Johnsons wichtige Unterscheidung, die bedeutet, er habe die DDR nicht als ihr Feind, also „in großer Eile, unter gefährlicher Bedrohung“ verlassen, sondern eher in einem Gefühl freundschaftlicher Erinnerung an eine ‚strenge und wunderliche Lehrerin‘.“
Einige Jahre später beschreibt Johnson seine Stimmung wie folgt: „In der DDR sind noch einige persönliche Orte, die Orte der Kindheit, der Jugend. Dort sind Freundschaften, Landschaften, Teile der Person. Es ist Vergangenheit. Es hat neun oder zehn oder zwölf Jahre gedauert. Nun ist es vorbei.“
Der Schriftsteller Günther Grass war Uwe Johnsons Nachbar in der Niedstraße 13 in Berlin-Friedenau. Schräg gegenüber von Uwe Johnson wohnte der Schriftsteller Erich Kästner.
In Johnsons Haus mit der Hausnummer 14 wohnte von 1911 bis 1933 der Maler Karl Schmidt Rottluff. Johnson lebte hier von 1959 bis 1968.
In dieser Berliner Wohnung, „…Johnson selbst lebte damals in New York — spielte sich 1967 das schillernd aktionistische Treiben der Kommune 1 ab, bis hin zu den Vorbereitungen für das berühmt-berüchtigte »Pudding-Attentat« auf den amerikanischen Vizepräsidenten. […] Zuletzt wurde mit Hilfe von Günter Grass Johnsons Berliner Wohnung geräumt, bis dieser im Sommer 1968 wieder zurück nach Berlin zog und vor Ort die linke Protestbewegung beobachtete. Bis in seinen Romanzyklus Jahrestage hinein karikierte er in der Folge den Typus des wohlfeilen Gesinnungsgenossen, den er vor allem in seinem zeitweiligen Freund, dem ebenfalls bei Suhrkamp verlegten Hans Magnus Enzensberger verkörpert fand.“ (zitiert nach Matthias Bormuth: Die Verunglückten.)
Fünf Jahre nach dem politisch aktiven Treiben der Kommune 1 bat Uwe Johnson seinen Verleger Siegfried Unseld das Buch „Diana. The Making of a Terrorist“ von Thomas Power übersetzen zu lassen. „Die Lebensgeschichte von Diana Oughton, geboren 1942 in einer Landschaft von Illinois als Kind reicher Eltern, die am 6. März 1970 umkam, bei dem Versuch, eine Bombe für terroristische Zwecke zu konstruieren“.
Uwe Johnson ging es mit der Übersetzung nicht darum, eine Märtyrerin zu schaffen oder eine Ikone des „aktionistischen Widerstandes“. „Vielmehr reizte und begeisterte Johnson die Gesinnung von Menschen, die dauerhaft – freiwillig oder unfreiwillig – mit ihrem Leben für eine gerechtere Welt einstanden […] Johnson zeichnete Diana Oughtons Weg der Radikalisierung nach, der verblüffende Parallelen zu jenem hat, den Ulrike Meinhof nahm, wenn es heißt, dass die junge Amerikanerin mit ihren Freunden zuletzt in „immer radikalere Organisationen“ geraten sei, „bis sie in die Illegalität gezwungen werden und Wirkung nun mit Bomben anstreben“. Gerade deshalb denkt Johnson an eine Übersetzung: „Von Interesse für studentische Leser in Deutschland könnte die Parallele sein in der Entwicklung von der Kommune bis zu der Gruppe um Frau Meinhof.“