Max Frisch in Rom, aus Filmskript zur Sendung „Max Frisch“, Sendereihe „Autoren erzählen“, 1961
Max Frisch in Rom, aus Filmskript zur Sendung „Max Frisch“, Sendereihe „Autoren erzählen“, 1961

 

Und sind das nicht einfach die Klischees, die Koeppen hier bedient, die Klischees eines Europäers der vielleicht vorher nur Amerika kannte allein durch die Literatur, durch Melville, Kerouac, Twain, Faulkner, Tennessee Williams, erging es ihm nicht wie Kafka, der Amerika nie bereiste und nur durch die Literatur das Neue Land zu kennen glaubte?

Koeppen aber reiste tatsächlich dorthin. Im Gepäck die Vorstellungen eines Europäers und so wie Max Frisch in Rom in einem Brief vom 26. Februar 1961 an Ingeborg Bachmann, den er nie absandte, schrieb: Ich lese Koeppen und denke, Du hast recht. Wenn der sein Buch findet! […] Ein Roman in Rom, der ausschließlich von Deutschen handelt, schon das ist literarischer Tourismus. […] Gemeint ist Koeppens Buch „Der Tod in Rom“ aus dem Jahr 1954.

Groteske, Satire und Phantasie sind […] die Elemente, mit denen Koeppen seinem […] Roman […] Faszination wie Irritation und Abscheu gleichermaßen verleiht. Interpreten, denen es ausschließlich darum geht, den Protagonisten Judejahn als Personifizierung des autoritären Charakters zu deuten, in ihm „eine realistische Verkörperung jener Brutalität und Borniertheit, die besonders dem deutschen Militarismus eigen sind“ zu erkennen, reduzieren den Roman auf ein soziales Psychogramm und übersehen die raffiniert-artifiziellen Stilmittel, die groteske Mischung von Ernst mit Komik und Skurrilität.

[…] Die von Piranesis Veduten -  Piranesi als eine die Vorstellungskraft Koeppens prägende Gestalt macht sich hier erneut bemerkbar – beeinflußte dunkle, dämonische, gespenstische Sphäre Roms, seine ‚Keller, Treppen, Gänge, Verliese, Käfige, Wartesäle des phantastischen Gefängnisses‘, verstärken den düsteren und beklemmenden Eindruck, zumal im Gegensatz zur üblichen Rom-Imagination: ‚In der Vorstellung der meisten lebt Rom in einem verklärenden Licht. Es ist das Licht auf den bekannten römischen Ansichten von Canaletto und Pannini, das Licht auf den Rombildern der deutschen Romantiker, der Abend am Tiber, das Colosseum im Sonnenuntergang, das Lager in der Campagna, Mauern und Türme die, hoheitsvollen Engeln gleich, in der blauen Luft stehen oder gar schweben, es ist das Licht, das wie eine Zauberessenz Rom zu reinem Geist und schönem Glücklichsein läutert. Die Stadt dieses Licht hat nichts Irdisches.‘, schrieb Koeppen in seiner Mappe Rom. (WKA, Mappe Rom)

Max Frisch schreibt weiter: Und dabei ist er sprachlich so weit über andern. […] Die Schwäche der Fabel Koeppens, die Drehbuch-Konstruktion, dieses Willkürlich-Sinnreiche, was so entsetzlich langweilt trotz aller schreiberischen Meisterstücke, zu denen sie nur ein Vorwand ist, im Grunde so ein konventioneller Vorwand, ein so überflüssiger, erschreckt und alarmiert mich. Hoffentlich wiederfährt mir nicht dasselbe. […]