Ehemaliger Sitz der StB in der Bartolomějská ulice, Prag 2011
Ehemaliger Sitz der StB in der Bartolomějská ulice, Prag 2011

 

Zwölf Jahre nach dem Tode Uwe Johnsons erschien „Uwe Johnsons Testamente oder Wie der Suhrkamp Verlag Erbe wird“ vom Berliner Autor Werner Gotzmann (1996). Und damit beginnt eine jahrelange Aufarbeitung des Erbes Johnsons, die mal mehr und mal weniger kritisch ist. Pikant wurde die Veröffentlichung vor allem durch ein Nachwort von Johnsons Frau Elisabeth, die ihr Schweigen bricht und hier den Verleger Siegfried Unseld öffentlich anklagt. Mit ihrer Hilfe hat der Berliner Autor Werner Gotzmann ein Buch geschrieben, das in der Johnson-Gemeinde für Unruhe sorgen wird, eine Abrechnung mit fast 20 Jahren Verlagspolitik und ein kaum verhohlener Angriff auf Siegfried Unseld persönlich.

Ausgangspunkt des vorgeblichen Erbstreites, ist die angenommene Untreue Elisabeths gegenüber Uwe Johnson. 1975 hatte der Autor von einer lange zurückliegenden Untreue seiner Frau erfahren: Der Liebhaber aus den sechziger Jahren, so Uwe Johnson später in aller Öffentlichkeit, sei ein Vertrauter ‚des StB, des tschechoslowakischen Geheimdienstes‘ gewesen. Tief zeigte er sich getroffen von der angeblichen Spitzel-Verbindung jenes ‚prager Semesters, die er für seine Frau bloß gehalten‘. Ihr, die solche Verbindung stets bestritten hat, gab er offenbar die Schuld für seine Krankheit: ‚Eine Beschädigung der Herzkranzgefäße war begleitet von einer Beschädigung des Subjekts‘, Elisabeths Enterbung bloß der finale Akt im Ehe-Zerwürfnis.

Laut Gotzmann war die Bespitzelung durch einen möglichen Agenten des tschechoslowakischen Geheimdienstes nur eine Illusion des an Depressionen leidenen Autors und für Unseld eine willkommene Situation seinen Star in Eigentum zu verwandeln [...]

Der setzte Johnson vor ein Ultimatum. Am 7. Dezember 1982 hielt der Verleger brieflich dem Autor ein ‚Soll-Saldo‘ von ‚DM 230.094,89‘ auf dessen Konto beim Verlag vor. Damit, so Gotzmann, habe Unseld seinem durchhängenden Partner ‚das Messer an die Kehle gesetzt‘.

Das Insel-Haus war mit Freundeshilfe erworben (über ein Darlehen von Max Frisch und Frau), Lebensversicherungen dem Verlag ‚überschrieben‘ (so Johnson selbst). ‚Die einzige ernstzunehmende Sicherheit, die Uwe Johnson anzubieten hatte, waren‘, laut Gotzmann‚ bei genauer Betrachtung seine Urheberrechte‘ - unverkäuflich, aber vererbbar.

Die tatsächlichen Beweg- und Hintergründe sind in einem kurzen Abriss nicht aufzuschlüsseln. Dazu gibt es neben Gotzmanns Publikation zahlreiche weitere Veröffentlichungen, die mal mehr oder weniger kritisch zu betrachten sind. Aber was man aus all diesen Veröffentlichungen herauslesen kann, ist, dass der Ursprung bei Uwe Johnson zu seinem Verdacht, Elisabeth hätte ihn mit einem tschechoslowakischen Spitzel betrogen, liegt. Das Ganze mündete laut Gotzmann - und seine Schrift ist unbedingt ambivalent zu betrachten - im besagten Erbstreit. Er selbst zieht folgendes Fazit: Worauf es mir mit dieser Abhandlung im Grunde aber auch ankommt, ist den Blick freizumachen auf einen nicht unbeträchtlichen Teil der Werksgeschichte und der Biographie Uwe Johnsons, unverstellt von den sirupenen Legenden seines Verlegers, aber auch – das muss eingestanden werden – von den obsessiven Vorstellungen Uwe Johnsons selbst.

In einer weiteren Schrift (Heinrich Lübbert: Der Streit um das Erbe des Schriftstellers Uwe Johnson) zum Thema heißt es abschließend: Gotzmann läßt keinen Zweifel an seiner eigenen aggressiven Besessenheit. Er bleibt bis zuletzt unbelehrbar.

Elisabeth Johnson aber resümiert als erste echte Wortmeldung in Gotzmanns Schrift so: ‚Was hätte, was hat der arme Mensch denn zuletzt nicht getan‘, schreibt sie. Und über den Bruch: ___Einmal bin ich ihm untreu gewesen; ich habe es ihm 1975 gesagt. ____Drei Jahre später sah ich, wir konnten miteinander nicht leben. ____Ich verließ das Haus. Ich glaubte, er müsse sich ändern; er ____hoffte, ich käme zurück. So haben wir einander aus den Augen ____verloren. Alles andere ist Erfindung. ___Erfindung, die er seinen besten Freunden gegenüber nie ____erwähnte. Er hatte aber einen beflissenen Zuhörer ... Gegen den meint sie ihren Mann nun öffentlich in Schutz nehmen zu müssen – ‚Wie jeder Mensch hat Uwe Johnson verdient, daß man ihm die Wahrheit nachsage.‘