Am 19. Mai 1961 reist der 27jährige Uwe Johnson von der Grand Central Station in New York nach Boston. Hier besucht er den Biographen von William Faulkner Carvel Collins und „hegte den dringenden Wunsch, sein großes „Vorbild“ aufzusuchen, was ihn jedoch erhebliche Selbstüberwindung kostete. Es mag durchaus sein, daß schlußendlich ein Brief des Suhrkamp Verlags mit der Nachricht, daß das Dritte Buch angenommen, einstimmig für gut befunden, des weiteren sein „Gehalt“ erhöht worden sei, zur Durchführung seines Vorhabens ermuntert hat.“
Dennoch zögert Johnson „im Konflikt zwischen Wunsch und Zweifel [...]“ In seinem Merkbuch steht eine nachgetragene Notiz vom 13. Juni 1963: „Nun wird aber öfter behauptet, es komme alten Schriftstellern die Achtung jüngerer Schriftsteller nicht immer ungelegen. Für die Entscheidung war ein Orakel erforderlich.“
In Chicago in einem Hotelzimmer mit Blechmöbeln und mahagony anmutendem Farbanstrich hatte sich Johnson „durch strebsames Rumlaufen einen Gichtkrampf in einen Fuß gedreht“ und nun genug Zeit für Überlegungen.
„Ich überlegte mir einen Brief nach Oxford, Mississippi, und wie man darin am gefälligsten sprechen könnte von der Ehre, die mir der Anblick Mr. Faulkners bereiten würde […] Das etwas steife Ergebnis dieser Grübeleleien gab ich als Brief im Hotelbüro ab.“
Und dann schlägt das Orakel zu. In der Hotelloby stehen zu diesem Zeitpunkt zwei Männer. Einer von ihnen sieht aus wie Faulkner. „Damit war das Orakel gefunden, weil es gefunden werden sollte.“
Im Merkheft Johnsons tauchen dennoch Zweifel auf. Auch in Gesprächen mit Bekannten trifft Johnson auf Einwände: „[...] seine Zeit sei zu knapp; so tief im Süden brauche man Ortskenntnisse; das French Quartier in New Orleans sei architektonisch doch nun auch wieder nicht so reizvoll.“
Ein Ratgeber allerdings sah darin Gelegenheiten, deren eine ein Besuch bei Mr. Faulkner war. Mr. Faulkner sei sehr liebenswürdig im persönlichen Umgang. Er wird Anteil nehmen an allem, was (gerade) Sie vorbringen.
Ein Schriftsteller [habe] beim Besuch dieses Schriftstellers rüden Hinausschmiß zu gewärtigen oder herzliche Mengen Whisky oder Prügel. Auch war verbürgt, daß Herr Faulkner vor Verehrern eines literarischen Schaffens, die auch an seiner privaten Sphäre Anteil zu nehmen wünschten, mit Genuß und kräftig von der Veranda herab sein Wasser liess, mit dem hinzugefügten Bemerken: privater gehe es wohl nicht.“
Am Ende entschließt sich Johnson für einen Besuch.
Er fliegt am 2. Juni über Omaha in Nebraska und Cheyene in Wyoming nach Boulder, Colorado, um am 4. Juni an einen Empfang teilzunehmen. Fünfunddreißig Jahre bevor der Dichter Allen Ginsberg den Künstler David Hockney und den Schriftsteller William S. Burroughs am 22. Juli 1986 in der Nähe des Naropa Institute von Boulder fotografiert.